E‑lend!

 

«Du Fress­dieb! Habe ich dich endlich!»

Erschrock­en zuckt er zusammen.

Wie einge­froren schwebt sein Zeigefin­ger in der Luft. Ger­ade eben war er noch auf dem Weg in den Mund, um genüsslich abgeschleckt zu wer­den. Trau­rig tropft die gebran­nte Crème von seinem Fin­ger auf den Boden. Langsam dreht sich Jürg vom Kühlschrank weg und schaut schuld­be­wusst zu sein­er Gross­ma­ma, die mit in die Hüften gestemmten Armen vor ihm ste­ht und ihn mit strengem Blick mustert.

«Aber Gross­ma­mi, weisst du, ich muss noch Hausauf­gaben machen, und du weisst doch, ‚ein leer­er Bauch studiert nicht gerne‘.» Jürg set­zt den aller­treuherzig­sten Bern­har­dinerblick auf, etwas, was bei Gross­ma­ma immer funk­tion­iert hat. Aber dies­mal scheint sie nicht gewil­lt, sich von ihm um den Fin­ger wick­eln zu lassen. «So, so, der junge Herr Dieb leert meinen Kühlschrank und glaubt, zu sein­er Vertei­di­gung müsse er eine Redewen­dung zum Besten geben. Da wollen wir doch sehen, ob du diese Reden­sart auch kennst: ‚Wer ein­mal lügt, dem glaubt man nicht, auch wenn er dann die Wahrheit spricht‘.»

Jürg nickt bloss, auch wenn er Bös­es ahnt.

«Also Herr Dieb, hast du zufäl­lig vorgestern deine lan­gen Fin­ger in meine Pestosauce getaucht und danach den Deck­el nicht richtig ver­schlossen? Mit dem Saucen­be­häl­ter ist mir näm­lich ein kleines Mal­heur passiert, und ich habe die halbe Pestosauce vom Boden aufwis­chen müssen. Ich habe das dumpfe Gefühl, dass ich den Deck­el richtig ver­schlossen habe.»

Eigentlich ist Gross­ma­ma der lieb­ste und grosszügig­ste Men­sch auf Erden, aber mit ihr ist nicht gut Kirschen essen, wenn man sich ins­ge­heim an ihren Köstlichkeit­en ver­greift. Jürg räu­bert seit Jahren in ihrem Kühlschrank, aber mit zunehmen­dem Erwach­sen­wer­den wer­den seine Diebes­touren immer häu­figer und umfan­gre­ich­er. Und deshalb auf­fäl­liger. Bish­er ist es immer gut gegan­gen, aber jet­zt scheint sie den Brat­en gerochen zu haben. Es bleibt ihm wohl nichts Anderes übrig, als in den sauren Apfel zu beis­sen und zu sein­er Schuld zu ste­hen. «Also, ja, äääähm, meine Fre­undin hat mich ver­lassen, und du weisst doch ‚Beim Trinken und Essen wird der Kum­mer vergessen‘. Ich habe schon etwas stib­itzt, aber nur, um über die Tren­nung hin­weg zu kom­men. Deine Küchen­schätze sind so wun­der­bar, sie helfen über jeden Schmerz hinweg.»

«Quatsch mit Sauce!», gibt sie ener­gisch zurück, «du kannst aufhören, Süssholz zu raspeln und mir Honig ums Maul zu schmieren, darauf falle ich nicht here­in. Seit wie lange bedi­enst du dich schon an meinem Kühlschrank, du aus­gekocht­es Bürschchen?»

«Oh wei­ja, jet­zt geht es wirk­lich um die Wurst». denkt er und sucht verzweifelt nach einem Hin­tertürchen, durch das er entschlüpfen kön­nte. «Oh, da kann ich mich nicht erin­nern, es wer­den wahrschein­lich schon vier bis fünf Ma…»

«… Jahre!», fällt sie ihm ins Wort, «Jahre trifft es sich­er eher!»

Zerknirscht nickt er und ver­sucht ein let­ztes Mal, mit heil­er Haut davon zu kom­men: «Gross­ma­mi, wir haben im Hauswirtschaft­sun­ter­richt gel­ernt, dass man ist, was man isst. Und für mich bedeutet das eben, dass ich ein wun­der­bares Bürschchen bin, wenn ich von deinen leck­eren Din­gen nasche.»

Liebe Leserin und lieber Leser, haben Sie mit­gezählt, wie viele Reden­sarten ich im Text unterge­bracht habe? Und der Grossteil dreht sich ums Essen. Ich würde wet­ten, dass den meis­ten von Ihnen nicht bewusst gewe­sen ist, wie viele solch­er Reden­sarten wir in der deutschen Sprache haben. Ist das nicht wunderbar!

Eben­so wun­der­bar wie Gross­ma­mas Köstlichkeiten.

«Du bist, was du isst», hat in meinen Augen sehr viel Wahrheits­ge­halt. Wer den ganzen Tag Müll in sich hinein stopft – am besten bis spät abends – kann nicht ern­sthaft glauben, selig schlum­mernd ins Reich der Träume zu gleit­en. Dazu eine kleine Analo­gie: Stellen Sie sich die Sauerei nach einem Fas­nacht­sumzug vor. Da genügt es nicht, hin­ter­her mit einem Handbe­sen die Strasse zu kehren, die schw­eren Putz­maschi­nen müssen her. Wenn Sie Ihren Magen mit Müll fluten, müssen die Bak­te­rien in Magen und Darm ihre Ärmel zurück­krem­peln, tüchtig in die Hände spuck­en und Schw­er­star­beit ver­richt­en. Kein Wun­der, schlafen Sie unruhig.

Wer gut leben und schlafen möchte, achtet auch auf die Ernährung. Ganz beson­ders auf E‑Zusatzstoffe wie E 210, E 213, E 104, E 110, E 951, E 952, E 954, E 621, E 625… . Das sind kün­stliche Aromen, Geschmacksver­stärk­er,  Konservierungs‑, Farb- oder Süssstoffe, die meines Eracht­ens in gesun­dem Essen nichts zu suchen haben (soll­ten). Ich will Ihnen keines­falls Ihren Lieblings-Snack madig machen, empfehle Ihnen jedoch, beim näch­sten Einkauf ein­mal die Inhaltsstoffe der Pro­duk­te durchzule­sen und sich kundig zu machen, was hin­ter den E‑Nummern steckt. Und übri­gens gilt, je mehr man selb­st zubere­it­et, desto weniger E‑Zusatzstoffe nimmt man zu sich. Deshalb der Tipp von mir: Schwin­gen Sie selb­st mehr den Kochlöffel.

Sollte ich Ihnen mit diesen Aus­führun­gen zum The­ma Essen die Suppe ver­salzen haben, brauchen Sie nicht die belei­digte Leber­wurst zu spie­len, aber Sie dür­fen selb­stver­ständlich in den Kom­mentaren Ihren Senf dazu abgeben.

 

Nun freue ich mich, Sie beim näch­sten Blog­beitrag zum The­ma «Bauch­lage» wieder dabeizuhaben.

 

Bis bald!

 

Ihr Bern­hard Heim

Schlaf- und Wohn- und Redensarten-Drescher

 

 

Möcht­en Sie den HEIMisch-Blog auch in Zukun­ft erhalten?

Abon­nieren Sie ganz ein­fach meinen Blog und Sie erhal­ten ihn zwei­wöchentlich bequem ins elek­tro­n­is­che Post­fach geliefert.

1 Kommentar

  1. Veröffentlich von Beat am 21. August 2023 um 6:39

    Mein Arzt sagte zu mir, wieso sind sie so schlank in ihrem Alter? Ich, weil ich unge­sund lebe. Ah, sagt mein Arzt nur!
    Ich wün­sche euch eine gute Woche.

Hinterlassen Sie einen Kommentar