Den Mächtigen den Spiegel vorhalten

 

Dyl Ulen­spegel oder Dil Ulen­spiegel ist Ihnen bekannt?

Nicht.

Dann ken­nen Sie vielle­icht Till Eulenspiegel?

Nein, ich meine nicht, dass Sie zusam­men mit ihm die Schul­bank gedrückt haben, das wäre nur schw­er möglich, schliesslich sind Sie im Gegen­satz zu ihm noch taufrisch. Er soll laut Wikipedia zwis­chen 1290 und 1300 zur Welt gekom­men und 1350 gestor­ben sein. 100-prozentig erwiesen ist es nicht, dass es diesen Till Eulen­spiegel tat­säch­lich gegeben hat, aber die Nar­rengeschicht­en um eine Fig­ur dieses Namens gibt es seit 1510.

In mein­er Kind­heit haben alle den sym­pa­this­chen, Sch­aber­nack treiben­den Kerl – oder eben Nar­ren – gekan­nt, zwis­chen­zeitlich ist er etwas in Vergessen­heit ger­at­en. Eigentlich schade, weil seine Geschicht­en uralt sind und schon im 16. Jahrhun­dert in viele europäis­che Sprachen über­set­zt und sog­ar gedruckt wur­den. Heute – und das ist meines Eracht­ens fast unglaublich – also heute gibt es Eulen­spiegel-Geschicht­en in 280 Sprachen!

Ursprünglich war er ein ziem­lich der­ber Kerl und seine Spässe nicht nur lustig, über die Jahrhun­derte hin­weg verän­derten sich die Geschicht­en über ihn jedoch hin zum sym­pa­this­chen Lausek­erl, der den Men­schen Stre­iche spielte und ihnen dabei gerne den Spiegel vorhielt.

Eulen­spiegel nahm nie ein Blatt vor den Mund, sprach aus, was ihm auf der Zunge bran­nte – typ­isch Narr eben. Das war auch die wichtig­ste Auf­gabe der Hof­nar­ren. Etwa ab dem 10. Jahrhun­dert hiel­ten diese tat­säch­lich existieren­den Fig­uren in den Fürsten- und Königshäusern Einzug. Sie waren speziell gek­lei­det, so zum Beispiel mit der Nar­renkappe und tru­gen das Nar­ren­szepter. Ihnen wurde völ­lige Nar­ren­frei­heit gewährt, das heisst, sie durften dem Herrsch­er offen wider­sprechen, ihm sog­ar ins Wort fall­en und sein Han­deln kri­tisieren, ohne mit den son­st üblichen Kon­se­quen­zen wie Kerk­er oder Gal­gen rech­nen zu müssen. Auf diese Weise kon­nten sie mit Sicher­heit die eine oder andere königliche Dummheit ver­hin­dern, die nie­mand anders anzus­prechen gewagt hatte.

Wenn ich mich so umschaue, fände ich es eine gute Idee, das Hof­nar­ren­tum bei allen Mächti­gen dieser Erde wieder einzuführen.

Immer­hin gibt es in eini­gen Schweiz­er Kan­to­nen mit der unmit­tel­bar bevorste­hen­den Fas­nacht ganz offiziell eine «när­rische Zeit», während der eine gewisse Nar­ren­frei­heit herrscht, und man die Mächti­gen auf die Schippe nehmen darf. In der Zen­tralschweiz geschieht dies sehr oft mit­tels Fas­nachtssu­jets an den Umzü­gen, in Basel hinge­gen sind es die Schnitzel­bängg, wo auch mal ziem­lich deftig aus­geteilt wird.

Gehört zu der närrischen Zeit – geschnitzte, hölzerne Masken

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Haben Sie übri­gens gewusst, dass sich bis tief ins Spät­mit­teal­ter der Irrglaube hielt, dass das Liegen ster­ben­den Men­schen vor­be­hal­ten sei und man im Liegen eher ster­ben würde als im Sitzen. Viele Men­schen bevorzugten deshalb eine sitzende oder zumin­d­est halb­sitzende Posi­tion, um keines­falls den Tod an ihr Bett einzu­laden. Aus diesem Grund sieht man bei ein­er Burgbesich­ti­gung manch­mal Bet­ten mit überdi­men­sion­ierten Kissen. Diese ver­hin­derten, dass die Schlafend­en in die Waa­grechte abliegen konnten.

Eben habe ich mir vorgestellt, wie ich als Hof­narr im Mit­teal­ter meinem Fürsten ins Gesicht sage, was ich von diesen Mon­ster-Kissen halte: «Du soll­test dir statt des Kissen-Ungetüms bess­er ein orthopädis­ches Kissen aus Naturla­tex gön­nen. Da würdest du bess­er schlafen und hättest weniger Rück­en­schmerzen.» Ich weiss nicht, ob Ihre Fan­tasie dafür aus­re­icht, aber ich stelle es mir witzig vor, wie der würde­voll thro­nende Fürst mit offen­em Mund dasitzt, weil er Wörter um die Ohren geschla­gen kriegt, von denen er noch nie etwas gehört hat – und nicht weiss, was er sagen soll.😉

Soll­ten Sie von der schieren Auswahl an Kissen ähn­lich über­fordert sein oder ganz ein­fach Bedarf nach ein­er königlichen Kissenber­atung haben, ver­sichere ich Ihnen, dass ich gerne die Rolle des Hof­nar­ren ein­nehme und ihnen auf Burg «öko trend» meine ehrliche Mei­n­ung sage, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Dazu brauche ich nicht ein­mal eine Narrenkappe!

Soll­ten Sie beim Lesen dieses Blogs Lust bekom­men haben, sich wieder ein­mal über ein paar Eulen­spiegel-Geschicht­en zu amüsieren, dann find­en Sie hier eine schöne Auswahl: https://www.till-eulenspiegel.de/till-eulenspiegel-geschichten-streiche/

Viel Vergnü­gen!

 

Nun freue ich mich, Sie in zwei Wochen beim The­ma «Fast­wood» wieder dabeizuhaben.

 

Bis bald!

 

Ihr Bern­hard Heim

Schlaf- und Wohn­ber­ater und Hof­narr von Burg «öko trend»

 

 

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