Wer hat’s erfunden?

 

Erin­nern Sie sich an die lustige Rico­la-Wer­bung? Irgend­je­mand behauptet, Kräuter­bon­bons erfun­den zu haben. Aus dem Hin­ter­grund schle­icht sich ein in Anzug und rote Krawat­te gek­lei­de­ter Mann her­an und fragt: «Wer hat’s erfun­den?» Die ver­schämte Antwort: «Rico­la.» Eine Kultwer­bung! Am Ende dieses Blog­beitrags find­en Sie einige Links dazu.

Nun jedoch zum eigentlich The­ma von heute, der Geschichte der Matratze. Dazu habe ich mich kundig gemacht und bin auf etwas gestossen, was ich gerne aus­führen möchte. Auf ver­schiede­nen Web­seit­en find­et man die Aus­sage, im Jahre 907 n. Chr. habe die Spanierin Bet­ti­na de Cama das Bett erfun­den oder zumin­d­est den Vor­läufer der heuti­gen Bet­ten. Irgend­je­mand wird sich kugeln vor Lachen! Die Aus­sage habe ich mehrfach gefun­den aber nir­gends eine Quelle, die das glaub­haft bestätigt. Nur, jed­er halb­wegs kri­tisch denk­ende Men­sch braucht keine Quelle, um her­auszufind­en, dass diese Aus­sage aus­gemachter Blödsinn ist.

Wieso ich das weiss?

Ganz ein­fach. Es ist schon ein unfass­bar­er Zufall, dass diese Spanierin ger­ade BET­Ti­na geheis­sen haben soll. Wer trotz­dem an diesen grandiosen Zufall glauben möchte, sollte in einem Spanisch-Deutsch-Über­set­zung­spro­gramm «Cama» eingeben. Her­aus kommt…? Exakt, Bett. Da soll also eine BET­Ti­na von Bett (Bet­ti­na de Cama) das Bett erfun­den haben. So viel zur Glaub­würdigkeit von Quellen im Inter­net. Ich bin schon wieder abgeschweift, habe über Bet­ten anstatt Matratzen geschrieben. Nun also – Indi­an­er-Ehren­wort – küm­mern wir uns um die Geschichte der Matratze.

Die Quellen sind tat­säch­lich nicht sehr ein­deutig, aber es scheint (Sie merken, ich bin vor­sichtig), als wäre das älteste Ding, das eine Matratze gewe­sen sein kön­nte, rund 200‘000 Jahre alt! Gefun­den haben es Forsch­er 2021 in ein­er Höh­le in Südafri­ka. Man hat­te es aus Pflanzen­fasern gefer­tigt, die Insek­ten abhal­ten soll­ten. Der zweitäl­teste Fund datiert von vor 77‘000 Jahren und stammt eben­so aus Südafri­ka (gefun­den 2011). Die Fer­ti­gung war ähn­lich wie ihr älter­er Vorläufer.

Bevor wir weit­er­fahren ein Gedanke mein­er­seits: Ich kann mir kaum vorstellen, dass irgendwelche men­schlichen Wesen jemals Freude daran gehabt haben, auf nack­tem Erd­bo­den oder Fels zu schlafen. Es scheint mir logisch, dass man sich seit früh­ester Men­schheit mit Laub, Gräsern oder was auch immer eine weiche (und wär­mende) Unter­lage geschaf­fen hat. Deshalb mein unwis­senschaftlich­er Schluss: Erster Men­sch = erste Matratze (Schla­fun­ter­lage).

Ein Bett aus der Antike, noch ohne Matratze

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Matratzen der Perser, Ägypter und Römer

Aus dem per­sis­chen Reich sind mit Wass­er gefüllte Ziegen­häute bekan­nt, die ein­er­seits Wasser­spe­ich­er waren und ander­er­seits als «Wasser­bett» dien­ten. Diese Funde stam­men aus der Zeit von ca. 5‘600 v. Chr. Auch die alten Ägypter wussten es sich bequem zu machen. Funde von ca. 3‘400 v. Chr. weisen darauf hin, dass sie auf Stapeln von Pal­men­blät­tern schliefen.

Die Römer sollen bere­its über mit Wolle oder Gänsefed­ern befüllte Matratzen ver­fügt haben und sog­ar ihre Sklaven schliefen auf etwas Matratzenähn­lichem. In der 79 n. Chr. beim Aus­bruch des Vesu­vs  ver­schüt­teten Stadt Pom­pe­ji fand man in einem Sklaven­haus eine Kinder­wiege, in der eine Matratze aus Pflanzen­fasern lag.

Es scheint jedoch, dass man sich über viele Jahrtausende hin­weg und auch nach den Römern meis­tens aus ein­fach­sten Mit­teln eine halb­wegs bequeme Schlaf­s­tatt her­richtete. Stroh, Laub oder ein Tier­fell am Boden sorgte für min­i­malen Schlafkom­fort. Ich glaube, das Wort Ergonomie war damals unbekan­nt J

 

Schlafkultur im Orient

Im Ori­ent genoss die bequeme Schla­fun­ter­lage eine höhere Bedeu­tung als im mit­te­lal­ter­lichen Europa und übri­gens stammt das Wort Matratze ursprünglich vom Ara­bis­chen Matrah, was über­set­zt «etwas auf den Boden Gewor­fenes» oder ein­fach «Bodenkissen» bedeutet. Tagsüber ver­wen­dete man die Kissen, um beim Sitzen am Boden den Rück­en zu stützen, abends legte man sie sorgfältig aus und schlief darauf. Gefüllt waren sie mit Wolle oder Natur­fasern. In ganz fortschrit­tlichen Häusern lagen diese nicht ein­fach am Boden, son­dern ruht­en auf Gurten, die in einem Gestell ges­pan­nt waren – dem Vor­läufer unseres Lattenrosts.

 

Matratzen in der Neuzeit

Während die Schla­fun­ter­la­gen lange Zeit bloss mit Natur­fasern, Laub, Wolle, Gänsefed­ern, Stroh oder Rosshaaren gefüllt wur­den, trat­en in den späten 1940er- und ins­beson­dere in den 1950er-Jahren die ersten Schaumgum­mi- und auch Latex-Matratzen ihren Siegeszug an. In den 60er-Jahren fol­gten die ersten Wasser­bet­ten und boomten bis in die 2000er-Jahre. Ab etwa 1980 erschienen die ersten Luft­bet­ten, und die Her­steller began­nen unge­fähr zur sel­ben Zeit, ihre Matratzen in Liege­zo­nen einzuteilen.

Ich erin­nere mich, wie in den 1990ern alle nach Tem­pur schrien. Die NASA hat­te ein neuar­tiges Mate­r­i­al entwick­elt, das auf Kör­per­wärme reagiert und sich entsprechend anpasst. Solche Matratzen gibt es bis heute, empfehlen würde ich sie nicht.

Fall Sie Ihre alten Stroh- oder Laub­sack gegen eine mod­erne, kom­fort­able Matratze ein­tauschen möcht­en, empfehle ich Ihnen, sich kom­pe­tent berat­en zu lassen.

 

Hier die Links zu den Ricola-Werbungen:

 

 

Nun freue ich mich, Sie in zwei Wochen beim The­ma «Pfef­fer» wieder dabei zu haben.

 

Bis bald!

 

Ihr Bern­hard Heim

Schlaf- und Wohn­ber­ater und Matratzen-Spezialist

 

 

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